Was tun gegen sexualisierte Gewalt: Eine kinderrechtliche Perspektive!

Ansicht: Sonderberichterstatterin informiert sich über sexualisierte Gewalt an Kindern
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Der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet vom 11. Mai 2022 wird in politischen wie zivilgesellschaftlichen Kreisen insbesondere in Deutschland vielfach diskutiert. Einige Akteur*innen positionieren sich dabei vorrangig zur Bedeutung des Rechts auf Privatsphäre, während andere den Stellenwert des Kinderschutzes hervorheben, dabei kann leicht der Eindruck entstehen, dass sich diese Zielsetzungen unvereinbar gegenüberstehen. Zuletzt hatte sich der Digitalausschuss des Deutschen Bundestages in einer Anhörung zum Thema „Chatkontrolle“ am 1. März 2023 mit dem Verordnungsentwurf befasst und den eingeladenen Sachverständigen einen achtzehn Fragen umfassenden Katalog zur Beantwortung vorgelegt.

 

Als zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben sich ECPAT Deutschland, Innocence in Danger, das Deutsche Kinderhilfswerk und die Stiftung Digitale Chancen dieser Fragen angenommen und bei der Beantwortung die Rechte von Kindern in den Fokus gerückt. Das Recht auf Schutz vor Gewalt, vor sexueller Ausbeutung und der Schutz der Privatsphäre stehen gemäß der UN-Kinderrechtskonvention nicht in Hierarchie zueinander, sondern ermöglichen im gleichberechtigten Zusammenwirken mit allen weiteren Kinderrechten ein gutes Aufwachsen von jungen Menschen. Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen Rechte regelmäßig miteinander in Abwägung zu bringen. Der im Entwurf der EU-Verordnung vorgesehenen Risikoanalyse der Diensteanbietenden kommt daher besondere Bedeutung zu, denn je nachdem, wie risikobehaftet das Angebot erscheint, muss der Anbieter mit zielführenden Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen darauf hinwirken, die Risiken möglichst effektiv zu minimieren, um so einen wesentlichen Beitrag für sichere Online-Erlebnisse von Kindern zu leisten. Vor einer Aufdeckungsanordnung, die in der öffentlichen Debatte und auch vom Digitalausschuss als so genannte Chatkontrolle bezeichnet wird, sieht der Verordnungsentwurf einen mehrere Schritte umfassenden Prozess vor, in den neben dem neu zu schaffenden EU-Center nationale Instanzen und Datenschutzbehörden ausdrücklich einbezogen sind. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die zur Risikominimierung eingesetzten Technologien wirksam zur Erkennung und Verhinderung der Verbreitung von bekannten oder neuen Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder oder zur Verhinderung der Kontaktaufnahme zu Kindern beitragen, hinreichend zuverlässig in Bezug auf potenzielle Fehlmeldungen sind und das Recht auf Privatsphäre sowie auf Vertraulichkeit der Kommunikation und den Schutz personenbezogener Daten so weitgehend wie möglich respektieren.

 

ECPAT Deutschland, Innocence in Danger, das Deutsche Kinderhilfswerk und die Stiftung Digitale Chancen haben ihre Haltung zur EU-Verordnung am 4. April in einer digitalen Pressekonferenz dargelegt. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme, die auf dem Fragenkatalog des Digitalausschusses des Deutschen Bundestags basiert, legen die Organisationen ausführlich dar, dass und wie der Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt online und das Recht auf Privatsphäre aller Nutzenden im digitalen Umfeld realisiert werden können. Dabei machen sie deutlich, dass die Europäische Kommission mitnichten beabsichtigt, jegliche Kommunikation anlasslos zu überwachen und zu kontrollieren, wie es der Begriff der Chatkontrolle nahelegt. Zugleich zeigen sie auf, dass es eines umfassenden Ansatzes bedarf, um Kinderschutz vollumfänglich zu verwirklichen. Deshalb ist es wichtig, den Verordnungsentwurf auch in Zusammenhang mit der Better Internet for Kids Strategie (BIK+) der Europäischen Kommission zu betrachten.


Torsten Krause, SDC