Kinderrechtsorganisationen fordern stärkere Maßnahmen für den Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt

Ansicht: Kinderschutz vor sexueller Gewalt dauerhaft verwirklichen
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Über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Prävention und Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet wird sowohl im Europäischen Rat als auch im Europäischen Parlament weiterhin verhandelt. Während im Europäischen Rat die abschließende Verständigung auf einen Kompromissvorschlag bereits mehrfach vertagt wurde und weiterhin verschiedene Konzepte zum Umgang mit möglichen Aufdeckungsanordnungen diskutiert werden, konnte der LIBE-Ausschuss des Europäischen Parlaments Ende Oktober bereits eine Verständigung aller Fraktionen auf eine gemeinsame Haltung öffentlich verkünden. Gleichwohl steht auch in diesem Fall die Beschlussfassung im Ausschuss noch aus. Diese ist für die Sitzung am 14. November 2023 angekündigt.

Ausgehend von der gemeinsamen Verlautbarung der politischen Verhandlungsführenden im LIBE-Ausschuss sollen Aufdeckungsanordnungen für die Abbildungen von sexueller Gewalt an Kindern online dann zulässig sein, wenn ein begründeter Verdacht gegen einzelne Nutzer oder eine bestimmte Gruppe von Nutzern unverschlüsselter Dienste, entweder als solche oder als Abonnenten eines bestimmten Kommunikationskanals besteht, bei denen ein - wenn auch nur indirekter - Zusammenhang mit Material über sexuellen Kindesmissbrauch im Internet vorliegt, sowie ein Gericht die Aufdeckungen angeordnet hat. Das Aufdecken der Kontaktanbahnung Erwachsener gegenüber Kindern zum Zwecke der Ausübung sexueller Gewalt (grooming) soll nicht von Aufdeckungsanordnungen erfasst werden können. Auch die Möglichkeit der freiwilligen Nachforschungen von Diensteanbietern nach Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern wird nicht mehr zulässig sein. Mit dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung wird die aktuell gültige Übergangsbestimmung zur ePrivacy-Richtlinie auslaufen. Aufdeckungen sind dann nur noch auf Grundlage der neuen Verordnung möglich.

Mehr als 80 Kinderrechtsorganisationen erwarten vor diesem Hintergrund, dass die Zahl der Meldungen solcher Abbildungen erheblich zurückgehen und somit die Verfolgung und Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern im Internet erheblich eingeschränkt würde. In einem offenen Brief setzen sie sich dafür ein, auch in der neuen Verordnung die Möglichkeit des freiwilligen Nachforschens seitens der Diensteanbieter nach bekannten und neuen Missbrauchsdarstellungen zu ermöglichen. Ein zwischenzeitlich vom Ausschussvorsitzenden Zarzalejo vorgelegter Kompromissvorschlag sah vor, dass Diensteanbietende selbst eine Aufdeckungsanordnung bei Gericht beantragen könnten. Dies wäre zum Beispiel sinnvoll, wenn im Zuge des verpflichtenden Risikoassessments zeitlich befristet geprüft werden soll, ob und wieviel inkriminiertes Material in einem Dienst verbreitet wird, um geeignete Maßnahmen zur Minderung des Risikos zu etablieren. Mit ihrem offenen Brief wollen die Kinderrechtsorganisationen die Beteiligten am Gesetzgebungsverfahren davon überzeugen, die Möglichkeit einer freiwilligen Aufdeckung in die Verordnung aufzunehmen.

Parallel dazu lenkt eine neue Kampagne mit dem Titel „Jedes Bild zählt“ Aufmerksamkeit auf das Anliegen der Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern im Internet. Anhand aktueller Daten wird der Umfang sexualisierter Straftaten an Kindern dargestellt und dazu aufgefordert, für den Schutz von Kindern aktiv zu werden. Gleichzeitig kritisieren Organisationen und Bündnisse, die dem Regulierungsvorhaben der Europäischen Kommission ablehnend gegenüberstehen, dass die Kommission sich einseitig beraten lasse und Positionen der Regulierungsgegner*innen nicht ausreichend würdige.


Torsten Krause, SDC