FOKUS
Veröffentlicht am 05.07.18
Empfehlungen des Europarats zur Umsetzung von Kinderrechten in der digitalen Welt
Jutta CrollWie die Rechte des Kindes im digitalen Umfeld besser geachtet, geschützt und erfüllt werden können, steht im Mittelpunkt der neuen Empfehlung, die am 4. Juli 2018 vom Ministerkomitee des Europarates angenommen wurde.
Als im April 2016 der Europarat die Sofia-Strategie zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention verabschiedete, wurde zum ersten Mal die Stärkung der Kinderrechte in der digitalen Welt berücksichtigt und als eine der fünf Säulen der Strategie verankert. Angesichts des schnell voranschreitenden Prozesses der Digitalisierung des Lebensalltags auch von Kindern ist dies ein wichtiger Schritt, um zu gewährleisten, dass Kinderrechte auch im digitalen Umfeld respektiert werden.
Den aus der Sofia-Strategie resultierenden Auftrag hat der Europarat einer Gruppe von Expertinnen und Experten - der CAHENF-IT, der in Vertretung des Projekts Kinderrechte.digital auch Jutta Croll angehört - übertragen, die in den vergangenen 18 Monaten die Konsequenzen der Digitalisierung für die Verwirklichung der Kinderrechte in den Blick genommen und Empfehlungen für eine kindgerechte Umsetzung formuliert hat. Aufbauend auf internationalen und europäischen Rechtsinstrumenten enthält der Text umfassende Leitlinien für das Handeln der europäischen Regierungen.
Das digitale Umfeld prägt das Leben der Kinder in vielerlei Hinsicht und schafft Chancen und Risiken für ihr Wohlergehen und ihre Wahrnehmung der Menschenrechte. Den Regierungen wird empfohlen, ihre Rechtsvorschriften, Politiken und Praktiken zu überprüfen, um sicherzustellen, dass diese das gesamte Spektrum der Rechte des Kindes angemessen berücksichtigen. Die Staaten sollten auch sicherstellen, dass Unternehmen und andere wichtige Partner ihrer Verantwortung für die Menschenrechte nachkommen und bei Verstößen zur Rechenschaft gezogen werden.
Ein schlechter Zugang zur digitalen Welt kann die Fähigkeit von Kindern beeinträchtigen, ihre Menschenrechte in vollem Umfang wahrzunehmen. Die Staaten sollten sicherstellen, dass Kinder einen angemessenen, erschwinglichen und sicheren Zugang haben zu Geräten, Konnektivität und zu Inhalten, die speziell für Kinder bestimmt sind; an geeigneten öffentlichen Orten sollte dieser Zugang kostenlos gewährt werden. Allerdings sollten auch geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um Säuglinge vor einer zu frühen Konfrontation mit der digitalen Umwelt zu schützen.
Die Staaten sollten das Recht des Kindes auf freie Meinungsäußerung garantieren, unabhängig davon, ob seine Meinung vom Staat oder von anderen Beteiligten positiv aufgenommen wird. Als Urheber und Vertreiber von Informationen sollten Kinder von den Staaten darüber aufgeklärt werden, wie sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung im digitalen Umfeld wahrnehmen, wie sie die Rechte und die Würde anderer achten, und sie sollten über die legitimen Einschränkungen der Meinungsfreiheit informiert werden, die beispielsweise dazu dienen, Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums zu verhindern und der Aufstachelung zu Hass und Gewalt entgegenzuwirken. Es ist wichtig, qualitativ hochwertige, auf Kinder zugeschnittene Inhalte bereitzustellen.
Die Staaten sollten auch Maßnahmen ergreifen, um das Recht der Kinder auf Spiel, auf friedliche Versammlung und Vereinigung zu schützen und die Teilnahme, Integration, digitale Staatsbürgerschaft und Widerstandsfähigkeit sowohl online als auch offline zu fördern.
Die Staaten müssen das Recht des Kindes auf Privatsphäre und Datenschutz respektieren, schützen und erfüllen. Staaten sollten Anonymität, Pseudonymität oder die Verwendung von Verschlüsselungstechnologien für Kinder nicht gesetzlich verbieten oder praktizieren. Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte nur mit ausdrücklicher und informierter Zustimmung der Kinder und/oder ihrer Eltern oder gesetzlichen Vertreter möglich sein. Profiling von Kindern zur Analyse oder Prognose ihrer persönlichen Präferenzen sollte gesetzlich verboten sein.
Maßnahmen zur Stärkung der digitalen Kompetenz, einschließlich des kritischen Verständnisses der Kinder für das digitale Umfeld, und Bildungsressourcen sollten gefördert werden. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der neue Technologien entstehen, werden in den Leitlinien auch Maßnahmen vorgeschlagen, um den Risiken für Kinder im digitalen Umfeld zu begegnen. Dazu gehören regelmäßige Risikobewertungen, der Einsatz wirksamer Systeme zur Altersverifikation, die Einführung von Standards für Produkte/Dienstleistungen für Kinder, der Schutz von Kindern vor kommerzieller Ausbeutung, altersunangemessene Werbung und Marketing, schädliche Inhalte und Verhaltensweisen, sexuelle Ausbeutung und Missbrauch, Anbahnung von Kontakten in sexueller Absicht, Rekrutierung für die Begehung von Straftaten oder die Teilnahme an extremistischen politischen oder religiösen Bewegungen, Menschenhandel sowie Mobbing, Stalking und andere Formen der Belästigung.
Zugängliche, erschwingliche und kinderfreundliche Wege zur Einreichung von Beschwerden und zur Suche nach gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsbehelfen sollten für Kinder und ihre Vertreter gewährleistet sein.
Mit den Guidelines liegt erstmals ein völker- und europarechtlich unterlegtes Instrument vor, um den digitalen Wandel im Hinblick auf ein gutes Aufwachsen mit digitalen Medien zu begleiten. Die Empfehlungen bieten Akteurinnen und Akteuren auf allen Ebenen - sei es in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder der pädagogischen Praxis - eine Grundlage dafür, das Kind in den Mittelpunkt zu stellen und geeignete Maßnahmen für Schutz, Befähigung und Teilhabe von Kindern in der digitalen Welt umzusetzen.