FOKUS
Veröffentlicht am 01.04.20
Kinderrechte - Kindersorgen
Kinderrechte gelten auch in der digitalen Welt, darauf hinzuweisen ist Thema und Auftrag des Projekts kinderrechte.digital. Wir erklären, wie die Rechte von Kindern auch im digitalen Alltag respektiert und verwirklicht werden können.
Aktuell stellt die COVID-19 Pandemie alle Menschen vor neue Herausforderungen und dabei wird besonders augenfällig, was für Kinder und Jugendliche längst selbstverständlich ist: Die Unterscheidung von analog und digital, von face-to-face zu virtuell verliert an Bedeutung. Jetzt, wo persönliche Kontakte aus gesundheitlicher Vorsorge auf ein Minimum reduziert werden müssen, findet sozialer Austausch in großem Maß über das Netz statt. Meine eigene Bildschirmzeit hat sich in der vergangenen Woche im Vergleich zu vorher nahezu verdoppelt - weil ich mit meinen Kolleg*innen und anderen Gesprächspartner*innen nicht mehr am Besprechungstisch sitze, sondern über eine Online-Anwendung per Laptop oder Smartphone kommuniziere. Unser aller Alltag ist auf einen Schlag viel digitaler geworden, als wir uns vor ein paar Wochen noch vorstellen konnten.
Was bedeutet dies für die Rechte von Kindern, für die ihnen zugestandenen Freiheiten und für den von ihnen benötigten Schutz gemäß der jeweiligen Artikel der UN-Kinderrechtskonvention?
Kinder haben ein Recht auf Bildung (Art. 28), doch um dieses Recht wahrzunehmen, ist nicht nur Eigeninitiative der Kinder selbst und ihrer Eltern gefragt. In Familien, wo zwei Erwachsene und mehrere Kinder sich normalerweise die Hardware teilen, kann es nun schwierig werden, Homeoffice und Schularbeiten unter einen Hut zu bringen. Soziale Benachteiligung wird weiter verschärft, wo Familien die benötigte technische Ausstattung und ein ausreichender Internetzugang fehlt. Wenn das Recht auf Spiel und Freizeit, auf Teilhabe an Kunst und Kultur (Art. 31) nur noch zu Hause ausgeübt werden kann, weil Spielplätze und Jugendfreizeitheime geschlossen sind, wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt. Gleichzeitig gibt es berechtigte Hinweise darauf, dass mit mehr Online-Zeit auch das Risiko für Kinder steigt: Unerwünschte Kontakte in Onlinespielen, Konfrontation mit ungeeigneten Inhalten oder unseriöse Kaufangebote können leicht zu einer Gefährdung führen. Dann sind die Schutzrechte nach Art. 17 (Jugendmedienschutz), Art. 19 (Schutz vor kommerzieller Ausbeutung) oder Art. 34 (Schutz vor sexuellem Missbrauch) tangiert. Derzeit liegt die Hauptlast, den Kindern einen sicheren Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen, auf den Schultern der Eltern. Dabei brauchen sie Unterstützung und es bedarf eines verantwortungsvollen Handelns der Plattformbetreiber, so wie es die Novellierung des Jugendschutzgesetzes zu vorsieht.
Bei allem Schutzbedürfnis haben Kinder aber auch in diesen Zeiten ein Recht auf Privatsphäre (Art. 16). Sie müssen mit ihren Freunden in Kontakt bleiben können, ohne dass Eltern oder Geschwister „alles mitkriegen“, und sie müssen auch sicher sein, dass die Inhalte ihrer Kommunikation nicht für Unbefugte sichtbar sind. Gerade jetzt brauchen Kinder und Jugendliche auch außerhalb der Familie Anlaufstellen, bei denen sie sich vertraulich Rat und Hilfe holen können. Gemeinsam mit Beratungsstellen aus ganz Deutschland arbeitet das Projekt Kinderrechte.digital daran, dass dies im Einklang mit den Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung möglich ist. In der aktuellen Situation verstärkt das Bundesfamilienministerium die Unterstützung für Beratungsdienste, damit diese mit ihren Angeboten der steigenden Nachfrage durch Kinder und Jugendliche gerecht werden können, s. dazu die Pressemitteilung des Ministeriums mit Links zu einer Auswahl von Angeboten.
In der Politik wie in der Verwaltung, im familiären wie im weiteren sozialen Umfeld soll das Wohl des Kindes bei allen Entscheidungen Vorrang haben. Das ist das Grundprinzip der UN-Kinderrechtskommission, welches auch in schwierigen Zeiten wie diesen Geltung behalten muss. Die bisher eher abstrakt wahrgenommene Bedeutung der Digitalisierung wird nun im Alltag für jede*n deutlich. In der Zukunft gilt es, diese Veränderungen ebenso aufmerksam wie kritisch zu begleiten und das darin liegende Potenzial für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft, für die Verwirklichung der Kinderrechte und für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mit Medien zu nutzen.