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Veröffentlicht am 26.06.23

Studien zeigen Ausmaß sexueller Gewalt an Kindern auf

Torsten Krause, SDC

Im Juni 2023 veröffentlichte die finnische Organisation Suojellan Lapsia, Protect Children ry. eine Sonderauswertung der Studie CSAM Users in the Dark Web: Protecting Children Through Prevention, um die Ergebnisse und Erkenntnisse hinsichtlich deutschsprachiger Nutzer*innen von Darstellung sexueller Gewalt an Kindern im Darknet bekannt zu machen.

An der Hauptstudie nahmen rund 24.000 Menschen teil, die im Darknet nach Darstellungen sexueller Gewalt gesucht haben und im Zuge dessen direkt zu der Befragung umgeleitet wurden. Mittels des Fragebogen wurden sie zu ihren Gefühlen und Verhaltensweisen, ihren Motiven, möglichen Hindernissen bei der Suche nach Abbildungen sexueller Gewalt an Kindern sowie zur direkten Kontaktaufnahme gegenüber Kindern befragt. Dabei konnte erhoben werden, dass 66 Prozent der Befragten jünger als 18 Jahre waren, als sie zum ersten Mal mit Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern in Berührung gekommen sind, 40 Prozent sexuelle Gewalthandlungen an Kindern im Livestreaming konsumieren und dabei eine Mehrheit der Täter*innen Gewalt an Mädchen präferiert. In Folge des Konsums entsprechender Gewalttaten oder -darstellungen suchten 42 Prozent der Täter*innen aktiv über Online-Plattformen den direkten Kontakt zu Kindern.

In der Sonderauswertung deutschsprachiger Täter*innen wurde deutlich, dass nahezu jede*r Zweite (49 Prozent) von ihnen versehentlich, rund jede*r Fünfte auf der Suche nach anderem Material sexueller Gewalt (19 Prozent) und 15 Prozent über soziale Kontakte zum ersten Mal mit Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern online in Berührung kamen. Insgesamt 70 Prozent der Täter*innen stießen demnach ungewollt oder zufällig auf entsprechende Darstellungen. Mit 41 Prozent war der größte Anteil der Befragten 13 Jahre oder jünger, als sie zum ersten Mal Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern in den sozialen Medien, durch unaufgeforderte Zusendung per Messenger, durch die Nutzung von Suchmaschinen oder im Rahmen privater Kommunikation wahrnahmen. Knapp ein Drittel der Täter*innen (29 Prozent) war bei der ersten Begegnung zwischen 14 und 17 Jahren alt, 16 Prozent kamen im Alter von 18 bis 25 Jahren erstmalig mit entsprechenden Darstellungen in Kontakt.

In Bezug auf den Wunsch, im Nachgang der Betrachtung von entsprechenden Darstellungen den Kontakt zu Kindern zu suchen, gaben 54 Prozent der Personen an, solche Gedanken zu kennen. 49 Prozent der Befragten haben entsprechende Überlegungen bereits in die Tat umgesetzt. Der Anteil deutschsprachiger Täter*innen, die nach dem Konsum sexueller Gewalt an Kindern den Kontakt zu Kindern suchen, ist somit höher als im Gesamtdurchschnitt (42 Prozent). Auch die Mehrheit der deutschsprachig Befragten (40 Prozent) präferiert dabei Gewaltdarstellungen an Mädchen zwischen 4 und 13 Jahren. Abweichend zur Gesamtstudie (18 Prozent) konnte erhoben werden, dass daneben 24 Prozent Abbildungen von Jungen zwischen 4 und 13 Jahren bevorzugen.

Die Ergebnisse der finnischen Studie korrespondieren mit einer aktuellen Veröffentlichung von WeProtect Gobal Alliance. Unter dem Titel Estimates of childhood exposure to online sexual harms and their risk factors gab die Organisation am 12. Juni 2023 ihre Erkenntnisse aus einer weltweiten Befragung von 18- bis 20-Jährigen, die während ihrer Kindheit von sexueller Belästigung oder Gewalthandlungen betroffen waren, bekannt. Demnach erfuhren insgesamt 54 Prozent der Teilnehmenden sexuelle Gewalt bevor sie 18 Jahre alt wurden, mit 57 Prozent waren davon Mädchen stärker als Jungen (48 Prozent) betroffen. Nachgefragt wurden dabei vier Aspekte einer möglichen sexuellen Belästigung oder Gewalthandlung. So wurde erhoben, ob die Befragten als Minderjährige aufgefordert wurden, online etwas explizit Sexuelles zu tun, was sie nicht wollten oder ihnen unangenehm war (34 Prozent), ob explizit sexuelle Darstellungen von ihnen ohne ihr Einverständnis mit anderen geteilt wurden (29 Prozent), sie von einer erwachsenen Person oder jemandem, den sie nicht kannten, entsprechend explizite sexuelle Darstellungen erhalten haben (29 Prozent) oder, ob ein Erwachsener, den sie kannten, oder jemand ihnen Unbekanntes sie gebeten hat, einen Teil ihrer sexuell expliziten Online-Interaktionen geheim zu halten (25 Prozent).

Regional ausgewertet zeigt sich, dass junge Menschen in den untersuchten Ländern Nordamerikas (71 Prozent), Australien und Neuseeland (67 Prozent) sowie Westeuropas (65 Prozent) ein höheres Risiko für eine sexuell leidvolle Online-Erfahrung berichten, als dies bei jungen Menschen in Zentralafrika (31 Prozent), in Osteuropa, Ostasien und im Nahen Osten/Nordafrika (jeweils 44 Prozent) oder Lateinamerika (49 Prozent) der Fall ist.

Neben den Erkenntnissen in Bezug auf die Varianten der sexuellen Belästigung und Gewalthandlungen konnte mittels der Befragung nachgewiesen werden, dass Kinder bei ihrer ersten entsprechenden Erfahrung zunehmend jünger sind. Gaben die heute 20-Jährigen an mit 13,4 Jahren erstmals ein solches Erlebnis gehabt zu haben, war dies bei den heute 18-Jährigen bereits mit 12,7 Jahren der Fall. Zwei Drittel der Befragten haben sexualisierte Gewalt mittels eines Kommunikationsdienstes direkt auf ihrem Smartphone erleben müssen. Daneben ist insgesamt festzustellen, dass Minderheiten einem größeren Risiko ausgesetzt sind entsprechend leidvolle Begegnungen zu erfahren. So berichten 59 Prozent der Befragten, welche sich als Transgender oder nicht-binär verorten, gegenüber 47 Prozent der cisgender Befragten, 65 Prozent der LGBQ+Befragten gegenüber 46 Prozent heterosexueller Befragten, 57 Prozent der Befragten mit einer Behinderung gegenüber 48 Prozent der Befragten ohne Einschränkungen sowie 58 Prozent Befragter, die aufgrund ihrer Herkunft als Minderheit wahrgenommen werden, gegenüber 49 Prozent der zur Herkunftsmehrheit gehörenden Befragten von leidvollen Erfahrungen im sexuellen Kontext online.

Insgesamt lässt sich auf der Basis der beiden Studien eine Zunahme sexualisierter Gewalthandlungen im digitalen Umfeld feststellen. So wird deutlich, dass Nutzende digitaler Angebote bereits in jungem Alter ungewollt in Kontakt mit Inhalten sexueller Gewalt kommen und dadurch entweder selbst geschädigt werden oder mögliche Neigungen, selbst zur*m Täter*innen zu werden, bei ihnen gefördert werden. Beiden Konsequenzen gilt es, durch die Prävention und Entfernung entsprechender Inhalte entgegenzuwirken.

Mit seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 25 zu den Rechten des Kindes im digitalen Umfeld hat der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen die Vertragsstaaten aufgefordert, sich aktiv für den Schutz junger Menschen in digitalen Angeboten einzusetzen. Mittels geeigneter Regulierungen, einzusetzender Ressourcen sowie zielführenden integrierten Sicherheitskonzepten (Safety by Design) und Datenschutzgestaltungen (Privacy by Design) soll auch sexuelle Gewalt an Kindern online in den von ihnen genutzten Diensten und Produkten vorgebeugt und bekämpft werden. In diesem Kontext ist auch der Vorschlag der Europäischen Kommission für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern online zu betrachten, welcher sich aktuell in Beratungsprozessen des Europäischen Parlaments sowie des Rates befindet.