VI. Grundrechte und Freiheiten
A. Informationszugang
50. Das digitale Umfeld bietet Kindern eine einzigartige Möglichkeit, ihr Recht auf Informationszugang zu verwirklichen. In dieser Hinsicht erfüllen Informations- und Kommunikationsmedien einschließlich digitaler und Online-Inhalte eine wichtige Funktion. Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass Kinder Zugang zu Informationen im digitalen Umfeld haben und dass die Ausübung dieses Rechts nur dann eingeschränkt wird, wenn dies gesetzlich vorgesehen und für die in Artikel 13 des Übereinkommens festgelegten Zwecke erforderlich ist.
51. Die Vertragsstaaten sollen altersgerechte digitale Inhalte für Kinder entsprechend ihrer sich entwickelnden Fähigkeiten bereitstellen sowie die Gestaltung solcher Inhalte fördern und sicherstellen, dass Kinder Zugang zu einem breiten Spektrum an Informationen haben, darunter auch solche der öffentlichen Hand, in Bezug auf Kultur, Sport, Kunst, Gesundheit, zivilgesellschaftliche und politische Angelegenheiten und Kinderrechte.
52. Die Vertragsstaaten sollen die Erstellung und Verbreitung von Inhalten fördern, die vielfältige Formate nutzen und auf einer Vielzahl nationaler und internationaler Quellen beruhen, u.a. von Nachrichtenmedien, Rundfunkanbietern, Museen, Bibliotheken und Bildungs-, Wissenschafts- und Kultureinrichtungen. Sie sollen sich insbesondere um die vermehrte Bereitstellung vielfältiger, barrierefreier und hilfreicher Inhalte für Kinder mit Behinderungen und für Kinder aus ethnischen, sprachlichen, indigenen und anderen Minderheiten bemühen. Die Möglichkeit, auf relevante Informationen in den Sprachen zuzugreifen, die Kinder verstehen, kann einen erheblichen Einfluss auf die Gleichstellung haben.
53. Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass alle Kinder erfahren, dass es vielfältige und qualitativ gute Informationen im Internet gibt und dass diese leicht auffindbar sind. Dazu gehören auch Inhalte, die frei von kommerziellen oder politischen Interessen sind. Die Staaten sollen sicherstellen, dass bezahlte Inhalte, die in kommerzieller oder politischer Absicht verbreitet werden, von automatisierten Suchmechanismen und Informationsfiltern oder Empfehlungssystemen nicht gegenüber der Auswahl der Kinder oder auf Kosten des Rechts von Kindern auf Information priorisiert werden.
54. Im digitalen Umfeld werden geschlechtsspezifische, diskriminierende und ethnienbezogene Stereotypen, gewalttätige, pornografische und ausbeuterische Informationen, „Fake News“, Fehl- und Desinformationen sowie Informationen, die Kinder zu gesetzwidrigen oder schädlichen Aktivitäten anstiften, verbreitet. Solche Informationen stammen aus unterschiedlichen Quellen, darunter andere Nutzer:innen, kommerzielle Verfasser:innen, Sexualstraftäter:innen oder als terroristisch bzw. gewalttätig bis extremistisch eingestufte bewaffnete Gruppen. Die Vertragsstaaten sollen Kinder vor schädlichen und nicht vertrauenswürdigen Inhalten schützen und sicherstellen, dass relevante Unternehmen und andere Anbietende digitaler Inhalte Richtlinien erstellen und umsetzen, die Kindern sicheren Zugang zu vielfältigen Inhalten ermöglichen, und dabei das Recht der Kinder auf Informationen und freie Meinungsäußerung anerkennen und sie zugleich entsprechend ihren Rechten und sich entwickelnden Fähigkeiten vor solchem schädlichen Material zu schützen. Einschränkungen des Betriebs von internetbasierten, elektronischen oder sonstigen Systemen zur Informationsverbreitung sollen immer im Einklang mit Artikel 13 des Übereinkommens stehen. Die Vertragsstaaten sollen die Versorgung mit elektrischem Strom, Mobilfunknetzen oder Internetverbindungen in einem geografischen Gebiet nicht wissentlich ganz oder teilweise einschränken oder dies anderen Akteur:innen ermöglichen, wenn derartige Einschränkungen bewirken können, dass der Zugang eines Kindes zu Information und Kommunikation erschwert wird.
55. Die Vertragsstaaten sollen die Anbietenden digitaler Dienste, die von Kindern genutzt werden, auffordern, Inhalte prägnant und verständlich zu kennzeichnen, z.B. in Bezug auf die Altersangemessenheit oder Vertrauenswürdigkeit von Inhalten. Sie sollen zudem auf die Bereitstellung leicht zugänglicher Anleitungen, Schulungen, Trainingsmaterialien und Meldemechanismen für Kinder, Eltern und Betreuende, Lehrende und einschlägige Berufsgruppen anregen. Alters- oder inhaltsbasierte Systeme, die Kinder vor nicht altersgerechten Inhalten schützen sollen, sollen mit dem Grundsatz der Datenminimierung vereinbar sein.
56. Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass Anbietende digitaler Dienste die einschlägigen Richtlinien, Standards und Verhaltenskodizes einhalten und rechtmäßige, erforderliche und verhältnismäßige Regeln zur Moderation und Kontrolle von Inhalten (content moderation) durchsetzen. Inhaltskontrollen, schulische Filtersysteme und andere sicherheitsorientierte Technologien sollten nicht dazu dienen, den Zugang von Kindern zu Informationen im digitalen Umfeld einzuschränken, sondern lediglich eingesetzt werden, um den Zugang von Kindern zu schädlichem Material zu verhindern. Die Moderation und Kontrolle von Inhalten (content moderation) und Inhaltskontrolle sind gegen das Recht auf Schutz vor Verletzungen anderer Kinderrechte abzuwägen, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre.
57. Verhaltensrichtlinien von Nachrichtenmedien und anderen einschlägigen Organisationen sollen Bestimmungen zu der Berichterstattung über digitale Risiken und Chancen in Bezug auf Kinder enthalten. Solche Richtlinien sollen eine evidenzbasierte Berichterstattung bewirken, die die Identität von Kindern, die Geschädigte sind, nicht preisgibt und internationale Menschenrechtsstandards achtet.
Inhaltsverzeichnis mit Link zum gesamten Dokument als barrierefreies PDF