B. Freie Meinungsäußerung
Das Recht der Kinder auf freie Meinungsäußerung umfasst u.a. die Freiheit, Informationen und Ideen aller Art mit jeglichem Medium ihrer Wahl zu suchen, zu empfangen und weiterzuleiten. Die beteiligten Kinder berichteten, das digitale Umfeld biete ihnen einen großen Spielraum, um ihren Ideen, Meinungen und politischen Ansichten Ausdruck zu verleihen. Kindern in besonders schutzbedürftigen Situationen kann die technologiegestützte Interaktion mit anderen Personen, die ihre Erfahrungen teilen, helfen, sich selbst auszudrücken.
Jegliche Einschränkungen des Rechts von Kindern auf freie Meinungsäußerung im digitalen Umfeld, z. B. durch Filter, auch als Sicherheitsmaßnahmen, sollen rechtmäßig, notwendig und verhältnismäßig sein. Die Gründe für solche Einschränkungen sollen transparent gemacht und den Kindern in einer altersgerechten Sprache mitgeteilt werden. Die Vertragsstaaten sollen Kindern Informationen anbieten und in Schulungen vermitteln, wie sie dieses Recht effektiv ausüben können, insbesondere wie sie digitale Inhalte unter Achtung der Rechte und der Würde anderer sicher erstellen und teilen können, ohne gegen geltende Gesetze zu verstoßen, wie z. B. solche in Bezug auf die Anstiftung zu Hass und Gewalt.
Wenn Kinder ihre politischen oder anderen Ansichten und Identitäten im digitalen Umfeld öffentlich machen, können sie Kritik, Anfeindungen, Drohungen oder Bestrafungen auf sich ziehen. Die Vertragsstaaten sollen Kinder vor Cybermobbing sowie Drohungen, Zensur, Datenmissbrauch und digitaler Überwachung schützen. Kinder sollen für ihre Meinungsäußerung im digitalen Umfeld nicht strafrechtlich verfolgt werden, es sei denn, sie verstoßen gegen strafrechtliche Bestimmungen in Übereinstimmung mit Artikel 13 des Übereinkommens.
Angesichts des Vorhandenseins von kommerziellen und politischen Motiven zur Förderung von bestimmten Weltanschauungen sollen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass der Einsatz automatisierter Verfahren zur Informationsfilterung, zum Profiling, zur Vermarktung und Entscheidungsfindung die Fähigkeit von Kindern, sich im digitalen Umfeld eine Meinung zu bilden und diese zu äußern, nicht verdrängt, manipuliert oder einschränkt.
Die Vertragsstaaten sollen das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit im digitalen Umfeld achten. Der Ausschuss fordert die Vertragsstaaten zur Einführung und Aktualisierung von Datenschutzbestimmungen und Gestaltungsvorgaben auf, die Praktiken identifizieren, definieren und verbieten, die das Kinderrecht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit im digitalen Umfeld manipulieren oder einschränken, zum Beispiel durch Emotionsanalysen oder Schlussfolgerungen. Automatisierte Systeme können für das Ziehen von Rückschlüssen über die Befindlichkeit eines Kindes eingesetzt werden. Die Staaten sollen sicherstellen, dass solche automatisierten Systeme oder Informationsfilter nicht benutzt werden, um das Verhalten oder die Gefühle von Kindern zu beeinflussen oder zu beeinträchtigen, ihre Möglichkeiten einzuschränken oder ihre Entwicklung zu hemmen.
Das digitale Umfeld kann es Kindern ermöglichen, ihre soziale, religiöse, kulturelle, ethnische, sexuelle und politische Identität auszubilden und in Gemeinschaften und öffentlichen Räumen an gesellschaftlichen Diskussionen zum Zweck des kulturellen Austauschs, des sozialen Zusammenhalts und der Vielfalt teilzuhaben. Die beteiligten Kinder berichteten, dass das digitale Umfeld ihnen willkommene Möglichkeiten bietet, sich mit Gleichaltrigen, Entscheidungsträger:innen und Gleichgesinnten zu treffen, auszutauschen und auseinanderzusetzen.
Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass ihre Gesetze, Bestimmungen und Richtlinien das Recht von Kindern schützen, in Organisationen mitzuwirken, die teilweise oder ausschließlich im digitalen Umfeld tätig sind. Die Ausübung des Rechts von Kindern auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im digitalen Umfeld darf nur dann eingeschränkt werden, wenn dies rechtmäßig, erforderlich und verhältnismäßig ist. Eine solche Mitwirkung sollte per se keine negativen Folgen für diese Kinder haben, z. B. durch den Ausschluss von der Schule, Einschränkungen oder Entzug von Zukunftschancen oder die Erstellung eines polizeilichen Profils. Eine solche Mitwirkung sollte sicher, privat und frei von Überwachung durch öffentliche oder private Stellen sein.
Öffentliche Sichtbarkeit und Vernetzungsmöglichkeiten im digitalen Umfeld können förderlich für von Kindern angeleiteten Aktivismus und den Einsatz von Kindern für ihre Menschenrechte sein. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass das digitale Umfeld es Kindern einschließlich Menschenrechtsverteidiger:innen im Kindesalter sowie Kindern in besonders schutzbedürftigen Situationen ermöglicht, miteinander zu kommunizieren, für ihre Rechte einzutreten und sich zusammenzuschließen. Die Vertragsstaaten sollen die Kinder fördern, u.a. indem sie die Schaffung geeigneter digitaler Räume unterstützen und sich für deren Sicherheit einsetzen.
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C. Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass Kinder nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung bestraft oder in irgendeiner Weise in ihren Zukunftschancen eingeschränkt werden. Die Ausübung des Rechts von Kindern auf freie Bekundung ihrer Religion oder Weltanschauung im digitalen Umfeld darf nur rechtmäßigen, erforderlichen und verhältnismäßigen Einschränkungen unterliegen.
D. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
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