Europäischer Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch

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Der 18. November markiert seit 2015 den Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Er wurde vom Europarat ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für sexuelle Ausbeutung von und sexueller Gewalt gegen Kinder zu schärfen sowie wirksame Präventions- und Schutzmaßnahmen zu fördern. Damit bietet dieser Tag Gelegenheit, das Thema zu beleuchten und das Schweigen darüber zu brechen. In diesem Jahr steht der Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch unter dem Motto „Neue Technologien: Bedrohungen und Chancen für den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“.

Das Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist schwer zu erfassen, da nur ein kleiner Teil der Taten angezeigt oder anderweitig dokumentiert wird. In einer aktuellen Veröffentlichung verweist UNICEF auf die erschütternde Zahl der Fälle weltweit. Demnach erfahren insbesondere Frauen und Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr entsprechende Gewalt. Global betrachtet haben mehr als 370 Millionen Mädchen und Frauen sexualisierte Gewalt erlebt. In ähnlicher Weise sind auch Jungen und Männer betroffen, wobei die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle aus Stigmatisierungsgründen nach wie vor sehr hoch ist. Auch in Deutschland ist die Zahl der Fälle von sexualisierter Gewalt hoch. Rund 15.500 Taten sexualisierter Gewalt erfasste die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs im Jahr 2022.

Sowohl der Europarat als auch die Europäische Union haben bereits wesentliche Schritte unternommen um sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorzubeugen und diese durch legislative Maßnahmen zu verhindern. Zentral in diesem Kontext sind die Lanzarote-Konvention (2007) zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch sowie die Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie (2011) der Europäischen Union. Um die Richtlinien aktuellen Entwicklungen anzupassen wurde im Februar diesen Jahres eine Überarbeitung durch die Europäische Kommission vorgelegt. Mit dieser sollen die Mitgliedsstaaten angeregt werden Definitionen und Strafbemessungen der Taten sowie Präventionsmaßnahmen und Unterstützungsangebote für Betroffene zu erweitern. Darüber hinaus beabsichtigt die Europäische Kommission das zunehmende Problem der sexuellen Gewalt im Internet durch die Verabschiedung der Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (2022) einzudämmen. Dafür sieht der Entwurf auch die Aufdeckung und Meldung von Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern auf Online-Plattformen oder vorbereitender Handlungen (grooming) vor. Wegen der ausstehenden Positionierung der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat zu diesem Entwurf konnte bislang kein Verständigungsprozess der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats (sog. Trilog) eröffnet werden. Insbesondere unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Reichweite und Tiefe der Eingriffsrechte in die Kommunikation der Dienstenutzenden sind ausschlaggebend für die andauernden Verständigungen im Europäischen Rat.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Gesetzgebungsverfahren wenden sich die Stiftung Digitale Chancen und 72 weitere europäische Organisationen an die europäischen Gesetzgeber und fordern diese auf zeitnah Beschlüsse zu fassen, um sexuelle Gewalt gegenüber Kindern wirksam begegnen zu können. Sie verweisen darauf, dass bereits jedes fünfte Kind in Europa von sexueller Gewalt betroffen ist und die bekannten Versuche von Erwachsenen sich das Vertrauen von Kindern online zu erschleichen, um diese sexuell ausbeuten zu können (grooming) in den vergangenen drei Jahren um 300 Prozent angestiegen sind. Der gemeinsame Brief kann hier nachgelesen werden.

Mit der Fokussierung auf sexualisierte Gewalt gegen Kinder in digitalen Umgebungen soll in diesem Jahr dafür sensibilisiert werden, dass Kinder und Jugendliche durch den Missbrauch digitaler Technologien zunehmend der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Neben dem Grooming und der ungewollten Konfrontation mit Darstellungen sexueller Gewalt zeigen neuere Phänomene wie Sextortion, dass auch die Entwicklung der eigenen sexuellen Identität online von Täter*innen ausgenutzt wird, um junge Menschen zu schädigen. Dabei werden vermeintlich intime Beziehungen angebahnt, um Kinder und Jugendliche mit selbsterstellten und von ihnen geteilten erotischen oder sexuell expliziten Darstellungen zu erpressen. Ebenso stellt das nicht einvernehmliche Verbreiten entsprechender Abbildungen junger Menschen untereinander ein zunehmendes Risiko sexueller Gewalt online dar.

Mit ihrer Arbeit trägt die Stiftung Digitale Chancen mit dazu bei das Bewusstsein für sexuelle Ausbeutung und sexualisierte Gewalt in der digitalen Welt zu schärfen sowie Präventions- und Schutzmaßnahmen zu fördern. So wirkt die Stiftung sowohl im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen wie auch im Bündnis gegen sexuelle Gewalt im Netz mit. Darüber hinaus positioniert sie sich in laufenden Verfahren zur Vorbeugung und Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern online und bringt sich mit kinderrechtlicher Perspektive in Beratungen ein. So zuletzt im Rahmen des Staatenbesuches der Sonderberichterstatterin für Kinderhandel und Kinderprostitution der Vereinten Nationen im Oktober 2023.


Juliana Reinicke, SDC