Neuer JMStV in Kraft

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Am heutigen 1. Dezember 2025 tritt der novellierte Jugendmedienschutz-Staatsvertrag(JMStV) in Kraft. Der JMStV ist die gemeinsame Rechtsgrundlage der Bundesländer für elektronischen Medien, wie Internet, Fernsehen und Radio. Er verfolgt das Ziel, alle Kinder und Jugendlichen vor Gefährdungen und Beeinträchtigungen ihrer Entwicklung zu schützen. Zu diesem Zweck reguliert der Staatsvertrag u.a. unzulässige und entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte, Werbung, Kennzeichnungspflichten und Möglichkeiten zur Meldung von Verstößen. Mit der neuen Fassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages haben sich die Bundesländer darauf verständigt das Schutzziel der persönlichen Integrität aufzunehmen, Anbieter von Betriebssystemen zu einer technischen Jugendschutzvorrichtung zu verpflichten und weitere Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen vor pornografischen Inhalten zu ergreifen.

Mit der Aufnahme des Schutzziels der persönlichen Integrität schließen die Bundesländer zum Jugendschutzgesetz auf, welches bereits in 2021 durch den Deutschen Bundestag novelliert wurde. Der Schutz der persönlichen Integrität umfasst dabei sowohl den Schutz der physischen und psychischen Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen wie auch den Schutz ihrer persönlichen Daten. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die altersgerechte und zukunftsoffene Entwicklung sowie die informationelle und sexuelle Selbstbestimmung der Minderjährigen sicherzustellen. Die Ausnutzung von Unerfahrenheit und Alter, eine wirtschaftliche Ausbeutung sowie die kommerzielle oder andere zweckfremde Verarbeitung und Verbreitung von Nutzendendaten stehen im Umkehrschluss dem Schutz der persönlichen Integrität entgegen.

Daneben beabsichtigen die Bundesländer die Möglichkeiten des technischen Jugendmedienschutzes in Deutschland zu verbessern. Mit einer One-Button-Option soll eine Jugendschutzvorrichtung auf Betriebssystemebene einfach und schnell jedes Endgerät in einen Modus versetzen, welcher Kinder und Jugendliche vor nicht altersangemessen Inhalten und Angeboten schützen soll. Dabei ist grundsätzlich zu begrüßen, dass der technische Jugendmedienschutz derart gestaltet wird, dass er „in einfacher, leicht zugänglicher und abgesicherter Weise aktiviert, deaktiviert und angepasst“ werden kann. Aus kinderrechtlicher Perspektive ist diese scheinbar einfache Option gleichwohl zu hinterfragen. Wenn der Zugang zu einer Vielfalt von Informationen für Kinder und Jugendliche nicht differenziert geregelt, sondern durch eine allgemeine Vorrichtung begrenzt wird, kann dies den Anliegen der 25. Allgemeinen Bemerkung in Abschnitt VI. Grundrechte und Freiheiten, A. Informationszugang  entgegenstehen und dem Pluralitätsanspruch nicht gerecht werden. Nicht die Verhinderung des Zugangs und der Nutzung digitaler Dienste, sondern vielmehr ein breites und diverses Angebot medialer Inhalte ist demnach Voraussetzung für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mit Medien. Kritisch zu betrachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die in das Betriebssystem integrierte Maßnahme des technischen Jugendschutzes von der Bereitschaft und der Fähigkeit der Erziehungsverantwortlichen abhängig bleibt, eine korrekte Altersangabe vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die beabsichtigte Schutzwirkung weder allen Kindern und Jugendlichen zugutekommen wird, noch, dass Anbieter weiter in die Entwicklung sicherer Dienste für junge Menschen investieren werden, wie es Artikel 28 DSA sowie die zugehörigen Leitlinien vorsehen.

Ungeachtet dessen bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form sich die Jugendschutzvorrichtung realisieren wird. Denn nach vollständigen Inkrafttreten des Digital Services Acts (DSA) am 17. Februar 2024 gelten die rechtlichen Bestimmungen des Jugendschutzes gemäß Artikel 28 DSA für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Anwendungsvorrang. Demnach kommt den Ländern nach herrschender Meinung keine Kompetenz für die Regulierung von Vermittlungsdiensten zu, zu denen auch die hier betroffenen App-Stores zählen können. Zwar bestünde auf Basis des Herkunftslandprinzips gemäß Artikel 3 der E-Commerce-Richtlinie für Dienste der Informationsgesellschaft Gestaltungsspielraum der Länder für in Deutschland oder außerhalb der EU niedergelassene Vermittlungsdienste eigene Rechtsvorgaben zu erlassen. Die infrage stehenden Dienste verfügen jedoch über einen europäischen Hauptsitz in Irland und unterfallen somit allein dem europäischen wie dem irischen Recht.

Unsere Stellungnahme zum JMStV kann hier nachgelesen werden.


Torsten Krause, SDC