Vom 9. bis zum 12. Juni kam im tschechischen Prag die Internetgemeinschaft zusammen, um im Rahmen des ICANN Policy Forums über aktuelle Prozesse und Entwicklungen zur Gewährleistung des Internets zu beraten. Für das Projekt „Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt “ der Stiftung Digitale Chancen standen neben dem Austausch mit den Vertretenden verschiedener Interessengruppen die weitere Prävention und Bekämpfung des Missbrauchs des Domänennamensystem (DNS), mögliche Entscheidungen über Einigungen zum Umgang mit dringlichen Anfragen über die Plattform zur Abfrage von Registrierungsdaten (RDRS) sowie die Entwicklung und Implementierung eines Verfahrens zur Menschenrechtsfolgeabschätzung im Fokus des Treffens.
Im Ausschuss der Regierungsvertretenden (GAC) wurde ausführlich über die Entwicklung des Missbrauchs des Domänennamensystems berichtet. Dabei wurde deutlich, dass sich Phishing-Attacken und entsprechende Domänen in den vergangenen fünf Jahren ungefähr verdreifacht haben. Allein in den vergangenen 12 Monaten wurden über 1,5 Millionen Domänen gemeldet, welche Nutzende dazu verleiten sollen persönliche Daten zu übermitteln oder bspw. Schadsoftware herunterzuladen. Die analysierenden Firmen gehen davon aus, dass dadurch ein finanzieller Schaden in Höhe von rund 15.700 EUR pro Minute hervorgerufen wird. Auffallend ist dabei, dass entsprechende Domänen vielfach dort registriert werden, wo – neben weiteren Faktoren – die Kosten vergleichsweise gering sind und keine Überprüfung der Identität der anmeldenden Personen stattfindet. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend zu Schlussfolgerungen zu gelangen, wie diesem Missbrauch präventiv begegnet werden kann. Beratende Organisationen schlugen den Mitglieder des Ausschusses der Regierungsvertretenden daher vor sich – neben weiteren Maßnahmen – für die Überprüfung der Identität von anmeldenden Personen sowie die Sichtung von maliziös erscheinenden Domäne Namen einzusetzen. Beide Maßnahmen sind auch zentral, wenn es um die Vorbeugung und Verfolgung von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern online und der Verbreitung entsprechender Abbildungen geht. Zwar wird entsprechendes kriminelles Verhalten gemäß den Regularien von ICANN nicht als Missbrauch des Domäne Namen System berücksichtigt. Gleichwohl können diese Maßnahmen einen wichtigen Beitrag dazu leisten Kindern im digitalen Umfeld zu schützen und die Strafverfolgung zu erleichtern.
Bezüglich des aktuellen Stands zu den Gesprächen über den Umgang mit dringlichen Anfragen im Rahmen der Plattform zur Abfrage von Registrierungsdaten (RDRS) wurde darüber informiert, dass aktuell über eine Bearbeitungs- und Auskunftsfrist von 24 Stunden diskutiert werde. Eine Einigung dazu habe jedoch nicht stattgefunden, da es weiterhin Vorbehalte bezüglich der Fristsetzung gibt. Gleichwohl stellt der aktuelle Beratungsstand einen Fortschritt dar, da die Registerdienste sich bislang für eine Bearbeitungszeit von bis zu drei Arbeitstagen ausgesprochen haben. Dies wird seitens des Ausschuss der Regierungsvertretende jedoch als nicht zielführend angesehen, um im Zuge der Verhinderung von Schäden an Leib und Leben oder an kritischer Infrastruktur angemessen reagieren zu können.
Zentral in diesem Zusammenhang ist auch der Diskurs um die Einführung eines Prozesses zur Prüfung menschrechtlicher Folgen auf die Regularien von ICANN, wenn die Interessen und Rechte der Beteiligten und Betroffenen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Dabei gilt es Entscheidungen zu ermöglichen, die bestehende Schutzansprüche gegenüber Registerdaten berücksichtigen und gleichermaßen dem Schutz bspw. von Kindern, die sich einer akuten Gefährdung sexualisierter Gewalt ausgesetzt sehen, zu gewährleisten. Dafür kann es notwendig sein, entsprechende Registerdaten offenzulegen und Ermittlungsbehörden dadurch Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Dass dieser Prozess in den ICANN-Gremien geführt wird, kann als positives Signal und Anerkennung von Verantwortung über die technischen Prozesse und Infrastrukturen hinaus gewertet werden. Gleichwohl zeigen die Diskurse, dass mit einer schnellen Verständigung und Einführung eines solchen Mechanismus nicht zu rechnen ist.