Kinderrechte im Domain Name System berücksichtigen

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In den vergangenen Tagen hat die Multistakeholder-Gemeinschaft im Rahmen des ICANN 82 Community Forums in Seattle (USA) über aktuelle Fragen zur weiteren Entwicklung und Gestaltung des Domain Name Systems beraten. Für unser Projekt „Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt“ stand dabei der aktuelle Stand zur weiteren Umsetzung der Plattform zur Abfrage von Registrierungsdaten (RDRS) sowie die Entwicklung und Implementierung eines Prozesses zur menschenrechtlichen Folgeabschätzung innerhalb der Prozesse von ICANN im Zentrum.

Mit der onlinebasierten Plattform zur Abfrage von Registrierungsdaten hat ICANN im November 2023 für eine zunächst zweijährige Testphase ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem Behörden wie Individuen über ein standardisiertes Verfahren Auskunft zu unveröffentlichten gTLD-Registrierungsdaten erhalten können. Dabei fungiert der Service als Vermittler zwischen den Auskunftsuchenden und den verschiedenen Registern. Dies hat den Vorteil, dass eine solche Anfrage nur an eine zentrale Stelle zu richten ist. Für Strafverfolgungsbehörden ist dies bspw. von Bedeutung, wenn sie zu ermitteln haben, in wessen Besitz eine Domain ist, über die Abbildungen sexualisierter Gewalt an Kinder online zur Verfügung gestellt werden. Bislang notwendige Recherchen, welches Register für die jeweilige Domain zuständig ist, können damit perspektivisch vollständig entfallen. Voraussetzung ist, dass alle Datenbanken an der Plattform zur Abfrage von Registrierungsdaten angeschlossen werden.

Sowohl im Ausschuss der Regierungsvertretenden (GAC), welcher den Vorstand von ICANN berät, als auch im Vorstand der Organisation besteht große Zustimmung zur Fortführung der Plattform über die Testphase hinaus. Sowohl die Sinnhaftigkeit des Services sowie die Notwendigkeit diesen weiter zu entwickeln werden anerkannt. Ungeklärt ist bislang jedoch weiterhin, wie zeitnah besonders dringliche Anfragen (urgent request) zu beantworten sind. Diesbezüglich gibt es zwischen Vorstand und GAC einerseits sowie den Vertretenden der Registerdienste unterschiedliche Auffassungen. Während Vorstand und GAC sich einig sind, dass Registerdaten im Zuge der Verhinderung von Schäden an Leib und Leben oder an kritischer Infrastruktur binnen Stunden zur Verfügung gestellt werden sollen, sprechen sich die Registerdienste für bis zu drei Arbeitstage aus. Dabei verweisen sie u.a. auf die Überprüfung der Legitimität der Anfragestellenden.

Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, welche Bedeutung einem Prozess zur Prüfung menschrechtlicher Folgen auf die Regularien der ICANN-Gemeinschaft zukommt. Einerseits gilt es sensible Daten der Register zu schützen. Andererseits steht dem der Schutz bspw. von Kindern gegenüber, die sich einer akuten Gefährdung sexualisierter Gewalt ausgesetzt sehen. Diese könnten von zügigen Ermittlungserfolgen profitieren. Daher wird in den ICANN-Gremien in den kommenden Monaten weiter darüber beraten werden, wie menschenrechtliche Betrachtungen und Bewertungen in die Prozessgestaltungen implementiert werden können. Bislang werden dabei insb. Fälle von vulnerablen Gruppen, wie Demokratieaktivist*innen betrachtet. Für die Stiftung Digitale Chancen werden wir uns in den Prozesss weiterhin einbringen, damit auch die Rechte von Kindern dabei Berücksichtigung finden und im Verantwortungsbereich von ICANN weiter verwirklicht werden können.

 


Torsten Krause, Stiftung Digitale Chancen